Neue Tarife für BVG und S-Bahn – unsere Vorschläge

Vorbemerkung:

Das folgende Schreiben haben wir bereits im Februar 2018 den Mitgliedern des Verkehrsausschusses des Abgeordnetenhauses zukommen lassen. Hintergrund war die Information, dass das Abgeordnetenhaus sich grundsätzlicher mit dem VBB-Tarifgefüge beschäftigen wolle. Da die Diskussion seit dem Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters ein 365-Euro-Ticket einzuführen, inzwischen auch die Öffentlichkeit erreicht hat, wollen auch wir unsere Überlegungen einem breiteren Publikum vorstellen. Grundlage unserer Überlegungen sind Regelungen in anderen Städten im In- und Ausland.

Geändert hat sich zwischenzeitlich, dass ab dem 1.8.2019 Kinder und Jugendliche, die Vollzeit eine Berliner Schule besuchen, den Berliner ÖPNV kostenlos benutzen dürfen.

Veröffentlicht: 22.7.2019

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Betrifft: VBB-Tarif

Sehr geehrte Mitglieder des Verkehrsausschusses, sehr geehrte Damen und Herren,

der Presse war zu entnehmen, dass der Verkehrsausschuss sich grundsätzlich mit dem Tarif des öffentlichen Nahverkehrs beschäftigen will. Im Folgenden möchten wir Sie auf einige Ungereimtheiten und Probleme aufmerksam machen und Ihnen vorstellen, welche Regelungen in Bezug auf die Mitnahme von Hunden anderswo bestehen. Unsere Bitte ist, dass Sie bei einer Reform der Tarife und Tarifbestimmungen die Interessen von Fahrgästen ohne Hund und Fahrgästen mit Kindern stärker berücksichtigen.

Die Ungereimtheiten des VBB-Tarifs:

Werden Kinder (oder Fahrräder) mitgenommen, muss für diese auch bei Vorliegen einer Zeitkarte ein Fahrschein gelöst werden. Hunde dagegen können kostenlos mitgenommen werden.
Es besteht Maulkorbpflicht, jedoch wird bei Nichtbeachtung – anders als beim Rauchverbot – kein „Bußgeld“ erhoben. Dies führt dazu, dass Hunden in Bussen und Bahnen in aller Regel kein Maulkorb angelegt wird; auch Busfahrer*innen lassen sie ohne Maulkorb einsteigen. Die S-Bahn schränkt die Maulkorbpflicht – tarifwidrig – in ihrer Hausordnung sogar auf „gefährliche“ Hunde ein.
Will ein Rollstuhlfahrer oder eine Rollstuhlfahrerin in einen vollen Zug, müssen Fahrgäste, die ein Fahrrad dabei haben, aussteigen, Fahrgäste mit Hund aber nicht.

Wir bitten Sie, diese Ungereimtheiten zu beseitigen. Beim VBB jedoch besteht keine Einsicht. Er schrieb uns: „Anders [als bei Kindern] sieht es bei Hunden aus, die durchaus neben oder unter den Sitzen Platz finden und weder viel Raum noch einen Sitzplatz in Anspruch nehmen.“ Diese Meinung teilen wir nicht. Kaum jemand bringt seinen Hund unter dem Sitz unter. Hunde im Gang nehmen sogar viel Platz weg, weil etliche Fahrgäste versuchen, Abstand zu halten, sei es, weil sie eine Verschmutzung ihrer Kleidung durch Hundespeichel und -haare befürchten, eine Tierhaarallergie besteht oder sie Angst vor Hunden haben. Züge und Busse sind heute schon häufig sehr voll, manchmal auch überfüllt, ein Problem, das mit der Zunahme der Bevölkerungszahl noch größer werden wird. Um Ihnen Anregungen für eine Lösung der Probleme zu geben, stellen wir Ihnen im Folgenden vor, wie die Mitnahme von Hunden anderswo geregelt ist.

Im Ausland:

Einige Verkehrsbetriebe verbieten die Mitnahme von Hunden gänzlich (Pariser Metro mit Ausnahme kleiner Hunde in Transportbehältern).
Einige verlangen, dass alle Hunde – auch große – in Transportbehältern untergebracht werden (Lissabon, New York).
In einigen Städten ist für Hunde der volle Fahrpreis zu zahlen (San Francisco, für größere Hunde in Belgien), in manchen muss ein Ermäßigungsfahrschein gelöst werden (Kopenhagen, Niederlande, Budapest), in anderen wiederum werden Hunde kostenlos befördert (Luxemburg, London, Prag). Kostenlos befördert werden auch in anderen Städten oftmals kleine Hunde, sofern sie in einem Transportbehälter mitgeführt werden.
Einige Verkehrsbetriebe sehen zeitliche und örtliche Einschränkungen vor. Sie untersagen die Mitnahme zu den Hauptverkehrszeiten (San Francisco), lassen sie nur in bestimmten Waggons oder Busabteilen zu (Madrid, Rom, Stockholm) und/oder beschränken die Zahl der Hunde in den Fahrzeugen (Rom, San Francisco).

In Deutschland:

In den deutschen Landeshauptstädten ist für Hunde meist der Ermäßigungstarif zu zahlen; in Hamburg, dem Rhein-Ruhr- und Rhein-Main-Gebiet jedoch fahren Hunde gratis. Die VBB-Regelung, dass bei Vorliegen einer Monatskarte Hunde umsonst mitgenommen werden können, gibt es sonst nur noch in Stuttgart und Dresden (und am Wochenende in Hannover). Eine Tageskarte reicht ausschließlich in Berlin-Brandenburg. Am restriktivsten ist Schwerin. Dort ist der volle Fahrpreis zu zahlen und am Wochenende werden Hunde nicht befördert. Die Deutsche Bahn verlangt den halben Fahrpreis.

Innerhalb des VBB ist die BVG unserem Eindruck nach besonders dreist. Sie verzichtet auf die Kontrolle der Maulkorbpflicht und ruft Hundehalter*innen sogar zur Missachtung der Tarifbestimmungen auf. Auf Werbeplakaten werden Hunde gezeigt, die keinen Maulkorb tragen und sich auf Sitzen niedergelassen haben. Auf einem der Plakate wird mit der kostenlosen Mitnahmemöglichkeit kleiner Haustiere geworben. Gezeigt wird ein Mops, der auf dem Schoß sitzt. Auf die Vorbedingung eines Transportbehälters für die kostenlose Mitnahme wird nicht hingewiesen. (Nebenbei: Möpse gehören zu den Qualzuchten, wie auch die Landestierschutzbeauftragte betont.)

Im Attachment finden Sie neben einer PDF-Version dieser Mail Fotos der BVG-Werbeplakate.

Unsere Vorschläge sind:

Keine Hundemitnahme zu Hauptverkehrszeiten.
Keine kostenlose Mitnahme von Hunden.
Mitnahme von Hunden nur in ausgewählten Waggons und im Bus nur an ausgewählten Plätzen.
Geldbußen bei Nichtbeachtung der Maulkorbpflicht. (Generell wäre zu überlegen, ob die Geldbußen bei Schwarzfahren, Rauchen und Verletzung der Maulkorbpflicht in gleicher Höhe erhoben werden sollten.).

Selbstverständlich sollten die bestehenden Ausnahmen für Blindenführ-, Therapie- und Diensthunde beibehalten werden. Solche Ausnahmen gibt es überall, sowohl im In- als auch im Ausland.

Über eine Antwort auf unsere Vorschläge würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen

BI „bello ade in park und see“

i.A. PD Dr. Helga Ostendorf