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Zusammenfassung
- Anleinpflicht: Die Ausnahmen sind so weit gefasst, dass es faktisch keine Anleinpflicht gibt.
- Hundeführerschein: Die diesbezüglichen Ausnahmen bewirken, dass die Regelung erst in 14 Jahren wirksam wird.
- Das Recht der zuständigen Behörden, Hunde-Mitnahmeverbote auszusprechen, wird unnötigerweise auf Erholungsgebiete eingeschränkt.
- Die Bestimmung zum Mitnahmeverbot lediglich auf gekennzeichneten Liegewiesen widerspricht dem Grünanlagengesetz.
- Dogwalker/innen dürfen eine unbegrenzte Zahl an Hunden mitführen, und somit weit mehr, als sie in einer Gefahrensituation festhalten können.
- Die Umsetzung des Gesetzes ist nicht gewährleistet, da die Ordnungsämter in den Bezirken unzureichend mit Personal ausgestattet sind und das vorhandene Personal zudem nicht hinreichend geschult ist.
- U.a. fehlt die Registrierung der DNA, da nur eine solche die konfliktfreie, gerichtsfeste Identifizierung von Verursacher/innen von Hundeattacken und liegen gelassenem Kot ermöglicht.
Erläuterungen zu den Einzelnen Punkten
Anleinpflicht
Neben dem Schutz der öffentlichen Sicherheit ist der Zweck des Gesetzes (§ 1): „ein verträgliches Zusammenleben von Menschen und Hunden unter den besonderen Bedingungen einer Großstadt sicherzustellen“. Das Gesetz verbessert die gegenwärtige Situation nicht: Kein Gang zur U-Bahn, ohne dass sich einem unangeleinte Hunde in den Weg stellen, keine Benutzung öffentlicher Radwege, ohne Gefahr, dass einem ein unangeleinter Hund vors Rad läuft. Wir regen an, die vorgesehenen Ausnahmen von der Anleinpflicht zu streichen und Ausnahmen lediglich für Blindenhunde, Therapiehunde und Diensthunde vorzusehen. Angesichts der bereits bestehenden und mit wachsender Bevölkerungszahl noch zunehmenden Konkurrenz um den öffentlichen Bewegungsraum zwischen Hunden und Menschen sollte Menschen Vorrang eingeräumt werden.
Die Summe der Ausnahmen bedeutet, dass es faktisch keine Anleinpflicht gibt. Der Gesetzentwurf sieht folgende Ausnahmen vor:
- für Bestandshunde
- für Hunde, deren Eigentümer/innen(!) einen Hundeführerschein haben.
- für Hunde mit einer Widerristhöhe (Schulterhöhe) von maximal 30 cm.
Zu 1: Dass nur Hunde, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geboren wurden, angeleint werden müssen und ältere nicht, entbehrt jeglicher Logik und wird vermutlich auch nicht gerichtsfest sein. Zudem ist diese Regelung unkontrollierbar, denn erst in gut 14 Jahren wird es keine Bestandshunde mehr geben.
Zu 2: Auch diese Ausnahme ist unlogisch. Weil „Omi“ einen Hundeführerschein hat, dürfen die Enkel ihren Hund unangeleint spazieren führen? Eine solche Regelung trägt weder zur öffentlichen Sicherheit noch zum verträglichen Zusammenleben von Hundehaltern/innen und Nicht-Hundehaltern/innen bei.
Zu 3: Frau Dr. Plange, Amtstierärztin in Spandau, führte in der Anhörung des Rechtsausschusses am 18.12.2015 aus: „Man muss deutlich unterscheiden zwischen der Aggressivität, die die Hunde im familiären Bereich austragen, wo sie dann mal knurren oder schnappen und dem Beuteverhalten, das ein ganz anderes ist und tatsächlich dazu führt, dass Menschen tödlich verletzt werden. Das ist ein völlig anderes Verhalten und trifft für alle Hundearten zu.“ Hunde unter 30 cm sind nicht verträglicher und haben kein geringeres Beuteverhalten als größere.
Hundeführerschein
Die Pflicht zum Hundeführerschein wird von uns begrüßt. Wie oben bereits erwähnt, reicht es unseres Erachtens aber nicht aus, wenn lediglich die Eigentümer/innen des Hundes einen Führerschein besitzen müssen. Nun ist es sicherlich ein logistisches Problem ca. 185.000 Menschen (103.000 angemeldete Hunde X 1,8 Personen pro Haushalt) eine Prüfung abzunehmen. Der Hundeführerschein hat (wie im Gesetzentwurf ausgeführt) drei Bestandteile: Sachkunde, Rechtskunde und praktische Prüfung. Anregen möchten wir, dass alle, die einen Hund im öffentlichen Raum ausführen, einen „kleinen“ Hundeführerschein mit Nachweis der Sach- und Rechtskunde besitzen müssen. Nur die Eigentümer/innen müssten zusätzlich eine praktische Prüfung absolvieren („großer“ Hundeführerschein). Die Sach- und Rechtskunde wird im Allgemeinen durch (maschinell auswertbare) Multiple-Choice-Aufgaben geprüft und es wäre kein Problem, derartige Prüfungen bspw. abends oder in den Semesterferien in dann leer stehenden großen Hörsälen der Berliner Hochschulen durchzuführen. Die Übergangsfrist, bis alle Hunde-Ausführer/innen diese Prüfung absolviert haben müssen, könnte daher relativ kurz bemessen sein. Die Kosten für diese Prüfungsteile belaufen sich lt. Senatsverwaltung für Justiz auf 15 bis 20 Euro. Auch die Frist, in der alle Eigentümer/innen den „großen“ Führerschein absolviert haben müssen, sollte deutlich kürzer als 14 Jahre sein.
Die Lebenswirklichkeit lehrt, dass längst nicht alle Hundehalter/innen über die notwendige Sach- und Rechtskunde verfügen und viele auch nicht mit ihren Hunden umgehen können. Wir plädieren daher dafür, die Bestimmung ersatzlos zu streichen, wonach allen Hundehaltern/innen, die in den letzten 6 Jahren 3 Jahre einen Hund hatten, der Hundeführerschein ohne jegliche Prüfung ausgestellt wird. Auch für diese Gruppe ist zeitnah zumindest der Nachweis der Sach- und Rechtskunde vorzusehen.
Recht der zuständigen Behörden, Hundemitnahmeverbote für bestimmte Gebiete auszuweisen
Diese Neuregelung wird von uns ausdrücklich begrüßt. Ebenso begrüßen wir, dass die Einrichtung von Hundeauslaufgebieten nunmehr den Bezirken übertragen wird. Wir bitten jedoch zu überlegen, ob die Einschränkung der Mitnahmeverbote auf „Erholungsgebiete“ sinnvoll ist. Es gibt auch andere Gebiete, bspw. in unmittelbarer Nähe von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen etc. wo übermäßiges Hundegebell stark stört. Auch Plätze, wo Kinder spielen, sollten hundefrei sein. Wir regen daher an, die Einschränkung auf Erholungsgebiete zu streichen.
Anpassung an das Grünanlagengesetz
Gegenwärtig gibt es im Hundegesetz und im Grünanlagengesetz widersprüchliche Bestimmungen, die auch im Entwurf des neuen Hundegesetzes nicht aufgehoben werden: Das Grünanlagengesetz besagt, dass Hunde nicht auf „Liegewiesen“ mitgeführt werden dürfen; im Hundegesetz ist das Verbot dagegen auf „Liegewiesen, die als solche gekennzeichnet sind“, beschränkt. In Berlin aber gibt es kaum gekennzeichnete Liegewiesen und die Bürger/innen lagern sowieso überall. Wir regen an, die Bestimmung des Grünanlagengesetzes zu übernehmen.
Dogwalker/innen
Wir begrüßen, dass Dogwalker/innen zukünftig vertiefte Kenntnisse im Sinne des § 10 („Sachverständige Personen“) vorweisen müssen. Auch ist zu begrüßen, dass ihnen die Erlaubnis fremde Hunde zu betreuen entzogen werden kann, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die sachverständige Person nicht oder nicht mehr über die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit verfügt“. Damit würden Dogwalker/innen ihre Lizenz verlieren können, wenn sie – wie gegenwärtig häufig zu beobachten – die Hunde in Parks und sogar in Naturschutzgebieten unangeleint laufen lassen. Es fehlt jedoch eine Beschränkung der Zahl der mitgeführten Hunde. Hunde können das Doppelte ihres Körpergewichts ziehen. Die Sachkunde allein gewährleistet nicht, dass Dogwalker/innen die Hunde in Gefahrensituationen festhalten können.
Gewährleistung des Gesetzesvollzuges
Bereits das bestehende Hundegesetz wird nicht umgesetzt, da es den Ordnungsämtern an Personal mangelt. Fälschlicherweise wird häufig davon ausgegangen, dass die Bezirke jeweils zwei zusätzliche Stellen zugewiesen bekommen. Diese jedoch sind nicht für die Kontrolle vorgesehen, sondern „für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erteilung von Sachkundebescheinigungen, Ausnahmeregelungen von der besonderen Leinenpflicht für Listenhunde und Genehmigungen für gewerbliche Hundeausführdienste“ (Gesetzentwurf, Begründung F 1, S. 4). Wir regen an, die Ordnungsämter mit zusätzlichem, speziell für die Überwachung der Einhaltung des Hundegesetzes beauftragten und im Umgang mit Hunden geschulten Mitarbeiter/innen auszustatten. Eine spezielle Schulung ist nicht zuletzt wegen der Sicherheit der Mitarbeiter/innen notwendig. Auch sollten diese Mitarbeiter/innen in Zivilkleidung tätig werden dürfen, da sie sonst von ferne als Ordnungsamtskräfte erkennbar sind und die Hundehalter/innen illegal freilaufende Hunde (z.B. in den Parks) „rechtzeitig“ anleinen können. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch daran, dass der Rat der Bürgermeister den Gesetzentwurf abgelehnt hat: „Eine Umsetzung ist den Bezirken – trotz zugestandener minimaler Personalaufstockung – aufgrund unzureichender Sachmittel- und Personalausstattung nicht möglich“ (ebd., S. 7).
DNA
Wir plädieren dafür, die DNA im Hunderegister mit zu erfassen. Wie Erfahrungen privater Wohnungsbaugesellschaften und der Stadtverwaltung Neapels zeigen, wird Hundekot seltener liegen gelassen, wenn den Verursacher/innen die Identifizierung droht. Eine solche Identifizierung wäre einfach zu handhaben, müsste doch nur mit einem Wattestäbchen eine Kotprobe aufgenommen werden. Auch Hunde, die Menschen angreifen, könnten so identifiziert werden, ohne dass die Angegriffenen sich vor Ort mit dem Halter bzw. der Halterin des aggressiven Hundes auseinandersetzen müssen. Gleiches gilt, wenn Hunde von anderen Hunden angegriffen werden oder Wild gerissen wird. Bisher können bei solchen Vorfällen die Verursacher/innen häufig nicht belangt werden, weil sie sich vom Unfallort entfernen, ohne Namen und Adresse zu hinterlassen. Liegt die DNA vor, könnten zudem Maßnahmen eingeleitet werden, um der Gefahr, die von diesen Hunden ausgeht, entgegenzuwirken.
Abschließend möchten wir Sie noch einmal auf unsere Stellungnahme vom 14.10.2015 zum ursprünglichen Gesetzesentwurf aufmerksam machen:
http://bello-ade-in-park-und-see.de/index.php/hundegesetz/
Zusammenfassend enthält sie folgende Forderungen:
- Keine Ausnahmen vom Anleingebot, abgesehen von eng umgrenzten Sonderfällen.
- Verpflichtung zum „Hundeführerschein“ für alle, die einen Hund „führen“, nicht nur für Eigentümer/innen und auch für diejenigen, die schon länger einen Hund besitzen.
- Begrenzung der Zahl der mitgeführten Hunde auch für Dogwalker/innen.
- Registrierung der DNA im Melderegister.
- Meldepflicht für Ärzte bei Bissvorfällen im Sinne des öffentlichen Gesundheitsschutzes.
- Die Bezirke müssen die Möglichkeit erhalten, hundefreie Areale auszuweisen.
- Bußgelder müssen tatsächlich erhoben werden.
- Konsequente Erhebung der Hundesteuer.
- Verkleinerung des Hundeauslaufgebiets „Grunewald“ im Sinne des Naturerhalts.
- Rückgewinnung des Grunewaldsees für die Nutzung durch Spaziergänger/innen und Badende.
- Begrenzung der Zahl der Hunde in der Stadt: Der öffentliche Raum muss vorrangig den Menschen zur Verfügung stehen.
25.5.2016