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in Park und See

Unsere Forderungen zur Neufassung des Berliner Hundegesetzes

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Im Juni 2015 hat der Senat von Berlin den Entwurf eines neuen Hundegesetzes vorgelegt. Es ist ausschließlich auf die Gefahrenabwehr ausgerichtet, räumt ansonsten den Hundehalter/innen weitgehende Rechte ein und ignoriert die Bedürfnisse von Menschen, die nicht ständig und überall durch Hunde und deren Halter/innen in ihrem Bewegungsraum eingeschränkt werden wollen. Sehr viele Bürger/innen haben im Sommer 2015 die erstmalig hundefreien Ufer des Schlachtensees und der Krummen Lanke genossen. Nicht zuletzt diese Erfahrung sollte Anlass sein, im Hundegesetz auch die Bedürfnisse von Menschen ohne Hund zu berücksichtigen. Wir gliedern diese Stellungnahme nach den Arbeitsthemen unserer BI.


 Zusammenfassung:

  • Keine Ausnahmen vom Anleingebot, abgesehen von eng umgrenzten Sonderfällen.
  • Verpflichtung zum „Hundeführerschein“ für alle, die einen Hund „führen“, nicht nur für Eigentümer/innen und auch für diejenigen, die schon länger einen Hund besitzen.
  • Begrenzung der Zahl der mitgeführten Hunde auch für Dogwalker/innen.
  • Registrierung der DNS im Melderegister.
  • Meldepflicht für Ärzte bei Bissvorfällen im Sinne des öffentlichen Gesundheitsschutzes.
  • Die Bezirke müssen die Möglichkeit erhalten, hundefreie Areale auszuweisen.
  • Bußgelder müssen tatsächlich erhoben werden.
  • Konsequente Erhebung der Hundesteuer.
  • Verkleinerung des Hundeauslaufgebiets „Grunewald“ im Sinne des Naturerhalts.
  • Rückgewinnung des Grunewaldsees für die Nutzung durch Spaziergänger/innen und Badende.
  • Begrenzung der Zahl der Hunde in der Stadt: Der öffentliche Raum muss vorrangig den Menschen zur Verfügung stehen.

Unser Thema (1): Das Mitnahmeverbot von Hunden auf den Uferwegen des Schlachtensees und der Krummen Lanke muss auch nach 2016 bestehen bleiben

Nach vielen Jahren des Dauerkonflikts um freilaufende und badende Hunde am Schlachtensee und der Krummen Lanke wurde – parteienübergreifend – endlich eine tragfähige Lösung verabschiedet: Hunde sind jetzt von den Seen, wo manche Menschen sogar ganzjährig baden und schwimmen, verbannt. Auf den wenige Meter entfernten Höhenwegen dürfen sie weiterhin mitgeführt werden (s. Pressemitteilung). Neben den Bedürfnissen vieler Zehlendorfer/innen und Menschen aus anderen Stadtteilen Berlins, hundefrei zu baden, mit Kindern zu spielen, sich zu erholen, Picknick zu machen, Sport zu treiben oder einfach nur spazieren zu gehen, gibt es auch Gründe des Wasserschutzes und des Naturschutzes für diese längst überfällige Neuregelung. Der Dialog mit der Lobby der Hundehalter/innen ist jedoch schwierig. Etliche scheinen den Hund als Teil ihrer eigenen Person zu empfinden und können oder wollen die Bedürfnisse von Nicht-Hundehalter/innen nicht wahrnehmen.

Badende und andere Erholungsuchende genießen dank der Neuregelung die Seen in dieser einzigartigen Landschaft in vollen Zügen. An der Waldseite sieht man wieder badende Kinder, es gibt kein Hundegebell mehr, Singvögel sind wieder zu hören, Wasservögel können sich freier bewegen und auch andere Wildtiere werden nicht von Hunden gestört und können beobachtet werden. Die Uferbereiche werden nicht mehr zerwühlt und aufgegraben; es gibt kaum noch Hundekot.

Zur geplanten Evaluierung der Neuregelung mit Bürgerbeteiligung Ende 2016 wollen wir gerne unseren Beitrag leisten. Trotz kontinuierlicher Übermalung und Zerstörung der Schilder und Ampeln, wird das Verbot der Mitnahme von Hunden überwiegend akzeptiert, weil eine bisher schweigende Mehrheit die Neuregelung begrüßt und die soziale Kontrolle überraschend gut funktioniert. Hundehalter/innen, die die Regeln missachten und sich sozial unerwünscht verhalten, werden angesprochen, das Ordnungsamt oder die Polizei werden gerufen, wobei sogar eigens eine gesonderte Polizeistreife eingerichtet wurde. Kinder aus der Nachbarschaft der Seen tauften sie „Strandpolizei“.

Unser Thema (2): Parks, die von kleinen und großen Menschen genutzt werden können und nicht als Hundeauslaufgebiete missbraucht werden

Die Verantwortung für die artgerechte Haltung und Erziehung von Tieren liegt bei den jeweiligen Halter/innen. Niemand kann in einer Großstadt erwarten, den Hund vor der Haustür frei laufen lassen zu können, ein Bad nehmen zu lassen oder den Hundekot nicht aufsammeln zu müssen. Hundehaltung gerne und zur Freude aller Beteiligten – aber eben aller Beteiligten, und das heißt, unter Einhaltung der vereinbarten Regeln. Die Regeln des geltenden Hundegesetzes werden in Berlin ganz überwiegend missachtet, wie beispielhaft die Vorgänge am Boxhagener Platz in Friedrichshain und eine Statistik zu rechtswidrig unangeleinten Hunden im Fischtalpark zeigen. Neuregelungen können nur funktionieren, wenn sie eindeutig sind.

Eines ist klar: Wo Hunde frei laufen, spielen keine Kinder, und Picknick macht auch niemand. Und noch etwas ist klar: Der Kot von freilaufenden Hunden wird selten entsorgt. Die Bevölkerungszahl Berlins nimmt gegenwärtig stark zu und führt zu einer weiteren Verdichtung der Stadt. Gerade deshalb ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass der öffentliche Raum vorrangig den Menschen zur Verfügung steht. D.h., keine freilaufenden Hunde in Parks und Grünanlagen, kein Hundekot im öffentlichen Raum! Wie eine Umfrage des Tagesspiegels zeigt, gibt es in der Bevölkerung erheblichen Unmut über die gegenwärtigen Zustände.

leinenpflicht
Quelle: Tagesspiegel-online, 15.8.2015, Abruf: 11.10.2015.

Die vorgesehene Rechts- und Sachkundeprüfung („Hundeführerschein“, § 6f.) wird von uns als sehr positiv bewertet. Die Führerscheinpflicht sollte jedoch nicht nur – wie geplant – für die Eigentümerinnen der Hunde vorgesehen werden, sondern jeder Hundeführer und jede Hundeführerin sollte darüber verfügen müssen. Gänzlich inakzeptabel ist die vorgesehene Regelung, dass Menschen, die nachweisen, dass sie in den letzten Jahren einen Hund hatten, von der Führerscheinpflicht ausgenommen werden. Die Hundeexpertin Kate Kitchenham berichtet, dass 50% der Hunde schlecht erzogen sind und plädiert aus diesem Grund für einen verpflichtenden Hundeführerschein. Des Öfteren auch sieht man Kinder einen Hund ausführen, wobei Kinder rein körperlich gar nicht in der Lage sind, Hunde ab einer gewissen Größe im Zweifel festzuhalten. Bereits das geltende Hundegesetz verlangt, dass diejenigen, die einen Hund ausführen, „ die Gewähr dafür bieten“ müssen, „dass Menschen, Tiere oder Sachen durch den Hund nicht gefährdet werden“. Für den Hundeführerschein sollte daher ein Mindestalter vorgesehen werden.

Auch die geplante Tütenpflicht (Art. II) und die Begrenzung der Zahl der Hunde, die eine Person gleichzeitig ausführen darf (§ 26), werden von uns begrüßt. Letzteres sollte – anders als in § 27 vorgesehen – auch für Dogwalker/innen gelten, denn auch diese verfügen nur über eine begrenzte Körperkraft. Ebenfalls begrüßen wir die Registrierung aller Hunde (§ 11 und 13). Wir votieren jedoch für eine Miterfassung der DNS zwecks Identifizierung gefährlicher Hunde über die Rasse und/oder gefährdendes Verhalten. Damit wäre ebenfalls die Möglichkeit gegeben, liegengelassenen Hundekot zuordnen zu können. Einige US-amerikanische Städte und Neapel verfahren bereits so, und in einigen deutschen Kommunen wird die Einführung diskutiert. Selbst Hundehalter/innen begrüßten eine derartige Maßnahme, schreibt die Zeit.

Zusätzlich fordern wir im Sinne des öffentlichen Gesundheitsschutzes eine Meldepflicht für Ärzte und Ärztinnen bei Hundesbissverletzungen. Die meisten Hundebisse finden im Nahumfeld statt und werden bei der Polizei und/oder dem Gesundheitsamt nur selten angezeigt. Eine Meldepflicht könnte weitere Bissverletzungen, von denen häufig auch Kinder betroffen sind, verhindern. Zudem werden viele Verletzungen durch Hunde heute nicht angezeigt, weil die Identität des/der Verantwortlichen nicht zu ermitteln ist.

Insgesamt sollte das Gesetz entschiedener über das Ziel der Gefahrenabwehr hinausgehen. Es sollte ebenfalls den Beeinträchtigungen im öffentlichen Raum entgegenwirken. Der Bewegungsraum von Menschen, die zu Fuß gehen, Radfahren, öffentliche Verkehrsmittel benutzen etc., wird von Hunden durch Anspringen, Anlecken, Beschnüffeln oder einfach im Weg stehen eingeengt. Darüber hinaus empfinden manche Menschen Hunde als ekelerregend oder haben Angst vor Hunden und möchten jedwede Nähe zu Hunden vermeiden. Beides sollte im öffentlichen Bewusstsein ankommen.

Die geplante Anleinpflicht (§ 28) mit max. 2 m Leinenlänge außerhalb privater Wohnräume und Gärten ist absolut richtig, aber – abgesehen von ausgewiesenen Auslaufgebieten und Blinden-, Behindertenbegleit- und Diensthunden – muss sie ohne Ausnahmen gelten. Die vorgesehenen großzügigen Ausnahmen für alle, die einen Hundeführerschein besitzen oder drei Jahre einen Hund hatten, würden dazu führen, dass z.B. Radwege weiterhin „Hundewege“ sind und Menschen, die den Kontakt mit Hunden vermeiden wollen, ständig die Straßenseite wechseln müssen.

Da wir weder Ordnungsamt noch Polizei für diese Zwecke aufstocken wollen oder können, muss die soziale Kontrolle funktionieren. (Die Neuregelung sieht eine Aufstockung der Ordnungsämter lediglich für administrative Aufgaben vor.) Die vorgesehenen Ausnahmen von der Anleinpflicht führen den Nachweis der Sach- und Rechtskunde ad absurdum: Eine soziale Kontrolle ist nicht möglich. Gleiches gilt für die geplante, völlig unverständliche Befreiungsmöglichkeit von der Leinenpflicht für Hunde gefährlicher Rassen.

Kontrollen durch die (unterbesetzten) Ordnungsämter sind nicht effektiv, wie die letzten Jahre gezeigt haben. Selbst die Hundesteuer wird für mehr als die Hälfte der Berliner Hunde nicht eingefordert. Dabei wäre das Abführen der Hundesteuer leicht zu kontrollieren, muss die Steuermarke doch am Halsband sichtbar befestigt sein. Die Stadt lässt sich alljährlich ca. 19 Mio. Euro an Steuereinnahmen entgehen.

Gleichzeitig verursacht das Entfernen der täglich 55 Tonnen Hundekot von Berliner Straßen erhebliche Kosten. Darüber hinaus schlagen die Entsorgungskosten für den ordnungsgemäß in Papierkörben hinterlegten Kot sowie die von den Bezirksämtern durchzuführende Kotbeseitigung in öffentlichen Grünanlagen zu Buche. Allein am Grunewaldsee fallen pro Jahr 80 Tonnen Hundekot an  Hinzu kommen dort 500.000 Liter Hunde-Urin. „Urin tötet Bäume“, wird der Revierförster in der Morgenpost zitiert. Für die Neuanpflanzungen – nicht zuletzt auch von Straßenbäumen – sind erhebliche Mittel nötig.

Ermahnungen reichen nicht: Bußgelder müssen sein und sie müssen wehtun. Die Mindesthöhe sollte bei 100,- € liegen und im Gesetz verankert werden. (Die Gemeinde Biesenthal/Brandenburg nimmt bei Hundekot 500,- €.) Die bisherige Kann-Bestimmung zur Erhebung von Bußgeldern sollte in eine Muss-Bestimmung umgewandelt werden. D.h., wenn Mitarbeiter/innen des Ordnungsamtes oder der Polizei tätig werden, müssen sie – anders als bisher – ein Bußgeld erheben.

Besonders wichtig ist, dass ein Passus in das Hundegesetz eingefügt wird, der die Bezirke ermächtigt, Areale mit Mitnahmeverboten für Hunde zu deklarieren, so wie u.a. in Friedrichshain-Kreuzberg am Boxhagener Platz, dem Britzer Garten und den Gärten der Welt in Marzahn. Schon jetzt gelten aus hygienischen Gründen und zum Schutz des Erholungsbedürfnisses von Menschen Mitnahmeverbote für Spielplätze, Liegewiesen und Badestellen, die aber leider häufig nicht beachtet werden. Nur in Schwimmbädern, dem Zoologischen Garten, Bibliotheken, Lebensmittelgeschäften, Kirchen, Konzertsälen, Krankenhäusern und auf Friedhöfen scheint es zu funktionieren. Bislang können die Bezirke nur für geschützte Grünanlagen Mitnahmeverbote aussprechen; diese müssen auch für andere öffentliche Bereiche möglich sein. Wir denken insbesondere an Areale, wo sich viele Menschen aufhalten, Kinder spielen oder Ruhe und damit Schutz von Hundegebell erwünscht ist.

Mit der wachsenden Bevölkerungszahl wird auch die Zahl der Hunde zunehmen und mehr Menschen und mehr Hunde werden um den öffentlichen Raum konkurrieren. Eine Begrenzung der Zahl der Hunde erscheint uns daher notwendig. Unseres Erachtens ist sie schon heute zu hoch und deshalb schlagen wir vor, eine Genehmigungspflicht für die Neuanschaffung eines Hundes einzuführen und dabei insbesondere die Anschaffung von größeren Hunden zu begrenzen. Das Genehmigungsverfahren könnte mit der Registrierung und der Steuerpflicht verbunden werden.

Unser Thema (3): Wälder und Seen, die Erholungsmöglichkeiten für Klein und Groß bieten, und gleichzeitig für Landschaftsschutz, Schutz von Wildtieren, Pflanzen, Wald und Wasser

Die im obigen Abschnitt vorgetragenen Änderungswünsche zum Entwurf des neuen Hundegesetzes gelten sinngemäß auch für Wälder und Seen: Keine Verschmutzung durch Hunde, kein Hundeverbiss in Schonungen, keine gehetzten, verletzten und getöteten Wildtiere! Und: Auch in Wäldern und an Seen haben Menschen Vorrang vor Hunden!

Darüber hinaus sind dringend langfristige und nachhaltige Maßnahmen zum Erhalt und zur Pflege der gesamten Landschaft „Grunewaldseenkette“ notwendig. Die stadtnahe und gut erreichbare Lage macht das Gebiet für viele Menschen attraktiv. Die starke Nutzung in den Sommerwochen und an schönen Winterwochenenden erfordert ein vernünftiges Müll- und Toilettenkonzept. Darüber hinaus ist eine Verkleinerung des riesigen Hundeauslaufgebietes „Grunewald“ zum Schutz des Lebensraums von Pflanzen und Wildtieren angezeigt. Auch muss der Grunewaldsee endlich wieder Badesee für Menschen werden. Wünschenswert wäre die Einrichtung eines Kultur- und Naturzentrums, um den Wert dieser einzigartigen Landschaft zu verdeutlichen, die Wertschätzung zu erhöhen und in dem sich engagierte Bürger/innen und politisch Verantwortliche gemeinsam für eine verbesserte Pflege der Natur engagieren können.

Zusammenfassung

Das neue Hundegesetz sollte nicht nur auf die Bedürfnisse von Hundehalter/innen und die Gefahrenabwehr ausgerichtet sein, sondern auch die Bedürfnisse von Menschen ohne das Hobby „Hund“ berücksichtigen. Das Ziel einer Reform des bestehenden Gesetzes sollte nicht nur, wie in § 1 des Gesetzentwurfs formuliert, der Schutz der öffentlichen Sicherheit sein, sondern auch der Schutz des Bewegungsraums von Menschen vor Beeinträchtigungen durch Hunde. Kinder wollen und sollen spielen, nicht nur auf eingezäunten Spielplätzen, sondern auch auf Bürgersteigen, öffentlichen Plätzen und in den Parks; alte Menschen wollen spazieren gehen, andere Radfahren oder Joggen und die Allermeisten einfach nur Bürgersteige, Parks und öffentliche Verkehrsmittel unbehelligt benutzen können.

Stand: 14.10.2015